Darkroom

Gabriele Fulterer & Christine Scherrer. Darkroom.

Gabriele Fulterer und Christine Scherrer sind ein Wiener Künstlerinnenduo. Seit 2007 arbeiten sie an interdisziplinären, immersiven und performativen Arbeiten mit Skulpturen, Zeichnungen, Malerei und Stickerei. Für den Salzburger Kunstverein haben die Künstlerinnen eine neue Installation mit dem Titel Darkroom kreiert. Beim Betreten der Ausstellung trifft man auf eine große Wandzeichnung. Als Nachbildung einer Skizze des Rückens von Martina, der Schwester einer der Künstlerinnen, schafft die Zweideutigkeit der Skizze in Form und Geste eine Art offenen Rahmen für das, was uns erwartet.

Man befindet, dass das Kabinett eher eine Kammer als ein Ausstellungsort ist. Das Licht und die Atmosphäre ähneln einem kleinen, verlassenen Rave oder einem leeren Sex Club. Von der Decke hängt ein großer Käfig aus Aluminium und Stahl, dessen Querstreben von Industriezurren zusammengehalten werden. Von ultraviolettem Schwarzlicht beleuchtet, schwebt der Käfig gleich einer Grauzone zwischen Malerei, Skulptur und den vielen Assoziationen, die er hervorruft. Form und Farbe des Käfigs beziehen sich auf die Geschichte der modernen Malerei, insbesondere auf die farbenfrohen Perioden des abstrakten Expressionismus der Nachkriegszeit. Die Rahmen des Käfigs scheinen exakte Nachbildungen der Rahmen für großformatige Gemälde zu sein. Die gesamte Gestaltung erinnert mitunter an Untergrundaktivitäten, z. B. Bondage oder S+M.

Die Künstlerinnen arbeiten häufig mit Themen der Sexualität, Identität und Gender, mit Konzepten, die selbst in ihren Arbeiten zwischen unterschiedlichen Positionen und Konstruktionen fluktuieren. Hier allerdings kollidieren sie in einer Kombination aus „freundlicher Moderne“ (der Käfig und seine Ästhetik) und „Gegenkultur“. Der Effekt ist ein spielerischer, dabei sind sie sich auch der Bedeutungskämpfe und der theoretischen Auseinandersetzungen der Definitionen von Sprache und Begriff für eine formale Analyse, z. B. des abstrakten Expressionismus, bewusst. Der berühmte Kunstkritiker Clement Greenberg schrieb ausführlich über die abstrakte expressionistische Malerei der Nachkriegszeit, wobei er Begriffe wie „Kitsch“ ausarbeitete und verfeinerte, Theorien zur „bildlichen Flachheit“ entwickelte oder Konzepte wie die „Gesamtfläche der Farbe“ oder den „optischen Raum“ erfand.

Auch wenn diese Ausstellung Schlüsselbegriffe der Malereigeschichte neu beleuchtet, beruht sie auf einer aktiven Ambivalenz und spielerischem Widerstand gegen Vorgaben oder Meinungen. Greenberg fordert die abstrakte Kunst auf, Widerstand gegen das Eindringen von Politik und Kommerz in die Kunst zu leisten (worin sie ultimativ und dauerhaft versagte) und sich stattdessen als größerer Avantgardismus zu entfalten, der sich für ihn in einer Tradition, als fortwährender Kanon, entfaltete, untergräbt die Ausstellung Darkroom spielerisch viele dieser hochintellektuellen, großartigen Assoziationen, die historisch zum abstrakten Expressionismus gehören. Zu diesen Assoziationen gehören auch die Bezugsrahmen, die diese Künstler und ihre Unterstützer miteinschlossen, und natürlich die naive Reinheit der Kunsttheorie, die sie proklamieren, ihre patriarchale Dominanz (da sie hauptsächlich von weißen amerikanischen Männern geschaffen und oft dauerhaft in großen Institutionen oder Galerien aufgenommen wurden) und ihre fortwährende Instrumentalisierung für einen größeren, auch internationalen soziopolitischen Rahmen – in seinem Buch How New York Stole the Idea of Modern Art argumentiert Serge Guilbaut, dass abstrakte Malerei von einem größeren System des US-Imperialismus unterstützt und instrumentalisiert wurde, von den New Yorker Galerien und den mit ihnen assoziierten Persönlichkeiten bis zu einer langen Reihe von amerikanischen Museen, Kunstkritikern, der US-Regierung und der CIA, die damit eine Gesamtstrategie der Weltherrschaft der USA verfolgten.

Scherrer und Fulterer, die im Gespräch die Sätze der jeweils anderen vervollständigen, befassen sich in ihrer Arbeit auch mit einer formellen Ebene, die dazu dient, „an Ideen zu arbeiten, aber keine Lösungen anzubieten“. Somit sind Anspielungen auf die Rave-Kultur, Bondage oder offene oder nicht-binäre Sexualität in Kombination mit der Bildsprache der abstrakten Malerei der Nachkriegszeit insgesamt eine leicht spielerische, aber nicht unsanfte Zurückweisung genau der kunsthistorischen Normen, die in dieser Arbeit direkt in Besitz genommen werden. Die Künstlerinnen stellen sich hier nicht gegen irgendetwas, sie sehen einfach keine Notwendigkeit, unnötige Belastungen zu tragen, die sie selbst für überflüssig halten. Dies ist wohl ein Ausdruck offener künstlerischer Freiheit, die dem dualistischen Konzept, der kollaborativen Produktion und der öffentlichen Rezeption ihrer Arbeiten innewohnt.

So wird ihre kommende Frühjahrsausstellung im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis in Bregenz den Titel Hard Core tragen und aus 25 „Bondage-Gemälden“ bestehen, darunter auch Wandzeichnungen. In ihren Arbeiten verwenden sie die gewünschte Ästhetik und Werkzeuge, so für Bondage die Riemen oder Elemente des Fetischismus in Form eines hängenden Käfigs (der für Dominanz, Folter oder sadomasochistische Aktivitäten verwendet werden kann). Es herrscht eine unbehagliche Spannung in einer insgesamt spielerischen Ambivalenz, die – vor allem – kunsthistorisch bedacht ist.

Text von Seamus Kealy für die Ausstellung „Darkroom“ im Salzburger Kunstverein, 2019

 

Gabriele Fulterer & Christine Scherrer. Darkroom.

Gabriele Fulterer and Christine Scherrer are an artist duo based in Vienna. Since 2007, they have been collaborating as artists on interdisciplinary, immersive, and performative works, as well as with sculpture, drawing, painting, and embroidery. For the Salzburger Kunstverein, the artists have created a new installation called Darkroom. Before one enters the gallery space, a wall drawing greets the visitor. Being a reproduction of a sketch of the back of “Martina,” a sister of one of the artists, the sketch’s ambiguity in form and gesture creates a kind of open framework for what one will encounter within.

Upon entry, one finds that the Kabinett is here made into more of a chamber than a gallery. The light and atmosphere is akin to a small abandoned rave or an empty sex club. Hanging from the ceiling is a large cage made of aluminium and steel ―with its crossbars held together by industrial latches. Illuminated by ultraviolet black light, the cage floats in a grey zone between painting, sculpture and the many associations the cage itself bears. The form and colour of the cage makes references to a history of modern painting, especially the more colourful periods of post-war abstract expressionism. The frames on the cage appear themselves to be accurate renderings of the framing used to house canvas for large-scale paintings as well. The overall structure is also reminiscent of more underground activity, including bondage or even perhaps S+M.

The artists themselves are often working around themes of sexuality, identity and gender, as concepts that themselves slip and slide between different notions and constructions in their work. Here, these themes again collide in a combination of a “friendly modernism” (the cage and its aesthetics) with “counter-culture.” The effect is altogether playful, while also cognisant of the struggles of meaning and theory around nailing down language and terms for a formal analysis of, for example, abstract expressionism. The famous art critic Clement Greenberg wrote extensively about post-war abstract expressionist painting, elaborating and refining notions such as „kitsch,“ theorizing on “pictorial „flatness,“ or inventing concepts such as „allover paint surface” or „optical space.”

This exhibition, while recasting key references to this history of painting, relies on an active ambivalence and playful resistance to meaning. Where Greenberg called for abstract art to resist the intrusion of politics and commerce into art (which it ultimately and continually failed to do) and to instead unfold as a greater avant-gardism, that for him, was unfolding in a tradition, as an ongoing canon, the Darkroom exhibition playfully undermines many of these high-brow, grand associations historically bound with abstract expressionism. These associations would also include the frames of reference posited by these artists and their supporters and of course the naïve purity of the art theory heroizing it, its patriarchal dominance (being mainly by white American men and housed often permanently in large institutions, whether museums or New York galleries), and its ongoing instrumentalisation for and within a greater, even international, social-political framework – in „How New York Stole the Idea of Modern Art“, Serge Guilbaut argues that abstract painting was supported and instrumentalized by a larger system of US imperialism, from the New York Galleries and the personalities associated with them to a long string of American museums, to art critics, to the US governement and CIA as a larger strategy of US domination globally.

Scherrer and Fulterer, who in conversation complete each other’s sentences, themselves are engaged with their work also on a formal level that is instead pulled into the service of, as they say, “working on ideas but offering no solutions.” Therefore a play on associations such as rave culture, bondage, or open and non-binary sexuality combined with the visual language of post-war abstract painting is altogether a light, playful but not altogether ungentle rejection of the very art historical canons that are directly appropriated in the work. The artists do not situate themselves opposed to anything here, they just really see no need to carry any unnecessary burdens that they do not themselves feel to be important. This is arguably an expression of open artistic freedom inherent in the dualistic conceiving, collaborative production and public reception of their artwork.

Likewise their upcoming exhibition this spring at Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis in Bregenz will be called “Hard Core,” and will consist of 25 “bondage paintings,” including wall drawings. When making their work, they take whichever aesthetics and tools they wish – whether those for bondage (the straps) or elements of fetishism in the form of a hanging cage (that could be used for domination, torture or sadomasochistic pursuits) here in this exhibition. Here an uneasy tension resides openly within an overall playful ambivalence that is – importantly – mindful of art history but not anchored down to its terms.

Text by Seamus Kealy for the exhibition „Darkroom“ at the Salzburger Kunstverein, 2019