WHOOPI!

WHOOPI! Zwischen konzeptueller Rauminstallation und purer Lebensfreude – Eboran Galerie Salzburg 

Gabriele Fulterer, geboren in Mürzzuschlag und aufgewachsen in Vorarlberg, besuchte ebenso wie die in der Stadt Salzburg geborene Christine Scherrer das Mozarteum. Fulterer studierte Bildhauerei und Scherrer Textiles Gestalten. Nach dem Diplom zog es beide nach Wien. Gabriele Fulterer studierte an der Akademie der bildenden Künste in der Meisterklasse für Bildhauerei bei Bruno Gironcoli und Christine Scherrer an der Universität für angewandten Kunst bei Ingeborg Strobl und Erwin Wurm. Diese Ausbildungen an der Schnittstelle zwischen Malerei, Skulptur und technischen Fertigkeiten im textilen und bildhauerischen Bereich prägen in Bezug auf die Wahl der Werkstoffe und der künstlerischen Medien bis heute ihre Œuvre. Seit 2007 arbeiten sie als Künstlerduo zusammen. Bekannt wurden sie vor allem durch ihre großen gezeichneten Frauenkörper im Öffentlichen Raum, wie unter anderem im Außenbereich des Wiener Lokals Fluc, im figar und im Eingangsbereich des MUSA – Wien Museum. Überdimensionale Frauenkörper präsentierten Fulterer und Scherrer auch in der Gemeinschaftsausstellung „Wand“, 2008 im Salzburger Kunstverein.

In ihrer nun über 10 Jahre dauernden Kollaboration sind sie zu einem Team zusammengewachsen, in der die jeweilige Handschriftlichkeit nicht mehr zu unterscheiden ist. Im Sommer 2017 realisierten sie mit „Sculpture.In.Da.Hood“ein städteübergreifendes Kunstprojekt im öffentlichen Raum, das nach Stationen in Wien und Paris in Bregenz seinen Abschluss fand. Skulpturale Objekte wurden in Parks und in Wohn- und Außenbezirken platziert – an Orten also, die für Kunstperformances eher unüblich sind. Dabei handelt es sich um „Körper-Fragmente“: rundliche Objekte, meist in einem hautfarbenen Ton mit Körperöffnungen und Falten, Nabel, die zwar an menschliche Körper erinnern, doch etwas uneindeutiger sind. Die Intention dahinter war, auch „kunstferne Schichten“ einfach und unvermittelt anzusprechen, so die Künstlerinnen und ihnen eine neuartige Erfahrung in der Auseinandersetzung mit den ungewöhnlichen, aber auch ansprechenden Skulpturen zu ermöglichen. Es folgen Gespräche mit den Passanten, die die Objekte auch gerne anfassen konnten. Die Begegnungen werden anschließend fotografisch dokumentiert. Die Skulpturen sollten dabei neugierig machen und im Gegenüber viele Assoziationen hervorrufen.

Neben der Skulptur ist die Zeichnung ein wesentliches Medium ihrer Arbeit, die sie wie erwähnt auch im öffentlichen oder halböffentlichen Raum in großen Formaten anbringen. Bislang stand dabei der Körper – und insbesondere der weibliche Körper im Mittelpunkt, den sie gekonnt mit dynamischer Geste in schwarzen, expressiven Linien auf den Bildträger – ob Leinen oder direkt an die Wand – zeichneten.Oft reagieren sie dabei auch auf die Architektur und verbinden so die zweidimensionale Zeichnung mit der Dreidimensionalität des Raumes. Zuweilen werden diese Linien mit farbigen Flächen ergänzt oder es werden einzelne Striche gestickt und deren Vernähungen bewusst sichtbar gemacht –  sie hängen als Fäden von den Bildern. Bei Wandarbeiten wird Garn mit Nägel über die Fläche gezogen und verleiht so der Zeichnung einen reliefartigen Charakter. Durch die Verwendung von  Neonfarben verweisen die Künstlerinnen auf die Graffiti Szene und die dazu passende Musik des HipHop. Bezüge die Fulterer und Scherrer äußerst wichtig sind, was manchmal auch in Form von Textfragmenten von Song-Lyrics in die Arbeit einfließt. In vielen ihrer figurativen Arbeiten geht es Fulterer und Scherrer sehr wohl um weibliche Identitäten, eventuell traditionelle Techniken und damit verbundene Zuschreibungen, wie dem Sticken, als typisch weibliche „Heimarbeit“, allerdings mit der Intention genau diese Zuschreibungen zu hinterfragen und aufzulösen.

Mit der Arbeit „Within circles“ 2016, in der sie unregelmäßige, zum Teil auch aufgelöste Kreise, schnell und unmittelbar nebeneinander und ineinander setzten, rückten Fulterer und Scherrer bereits ein Stück weit von ihren figurativen Bildkonzeptionen ab und integrierten konstruktive Elemente.Sie wurden jedoch mittels Gestus überarbeitet und kommen nun als spontaner und flüchtiger, loser Bildaufbau daher. In der Ausstellung „Whoopi“ in der Salzburger Galerie Eboran verfolgen sie diesen Weg weiter. „Whoopi“ ist ein gekonntes Zusammenspiel von Rauminstallation und Einzelwerken. Dominiert wird der Raum von den neonfarbenen Formen, die sowohl die Wand als auch als Folie die Glasfassade besetzen.

Durch die Verwendung von leuchtender und auch fluoreszierender Farbe, sind diese auch bis auf die Straße sichtbar und verbinden damit die Ausstellung mit dem urbanen Raum. Diese geometrischen Formen von Dreieck, Kreis bis Quadrat bilden eine Art Gerüst und sind wie bereits die Kreise bei „Within Circles“ von 2016 gestisch übermalt, sodass die eigentlichen Grundformen nur noch zu erahnen sind. Sie bilden ein abstraktes Gerüst aus Farbflächen und Formen, in dem sowohl in der Wandbemalung als auch in den Leinwandbildern figurative Fragmente eingebettet sind – eine Faust, ein Fuß, Zehen, eine Hand, Münder etc. Sie treten in eine Art Dialog mit den geometrischen Formen und zum Teil sieht es aus, als würden sie damit spielen. Einmal mehr lassen die dynamisch, fast flüchtige wirkende Gestik der Linien in Verbindung mit den Neonfarben an Graffiti denken.

Die Bemalung der Caps unterstreicht den urbanen Gestus. Expressiv gemalt, mit einer Pinselführung, die die Transformation von der Zeichnung zur Malerei offenlegt, können die figurativen Elemente schnell und leicht mit den linearen Elementen, korrespondieren. Dadurch lassen die geometrischen Formen ihren konstruktiven Ursprung hinter sich und erscheinen als gestisch gesetzte Bildkonzeption, in der sich die beiden Bildelemente – das Abstrakte, als auch das Figurative – in einem fragilen, sehr empfindlichen Gleichgewicht befinden. Das Fragmentarische, Ausschnitthafte, die vielen Leerstellen im Bildaufbau bieten einen offenen Handlungsspielraum, einen Spielraum, in dem sich das Figurative wie auch Abstrakte, hin zu einer Grenze bewegt, an der sich ihre Gegenüberstellung aufheben könnte. Körperfragmente balancieren in einem abstrakten Konglomerat, in dem es ihnen leicht zufallen scheint, sich neu zu arrangieren. Körperfragmente befinden sich im Umbruch, sie können sich neu orientieren, neu konzipieren, ihre Identität neu generieren.

Ausstellungsbesprechung Dr. Silvie Aigner,
Kunstmagazin PARNASS, Juni 2018